Wird die Koordination in technisch anspruchsvollen Sportarten durch das Training beeinträchtigt?

Unter sportartspezifischer Koordination versteht man das optimale Zusammenspiel von Muskeln und Nerven bzw. zentralnervösen motorischen Befehlen, aber auch verschiedener Muskeln und Muskelketten untereinander. Elektrostimulation in passiver Form, wie sie meist in der Therapie mit einfachen Stimulatoren angewendet wird, kann zunächst keine Verbesserungen der Koordination hervorrufen. Da das Zentralnervensystem bei Einsatz externer elektrischer Impulse übergangen wird, so die Theorie, können auch keine Anpassungserscheinungen auf koordinativer Ebene stattfinden. Dabei wird allerdings immer von passiver Anwendung und der Stimulation einzelner Muskeln oder Muskelgruppen ausgegangen. Da hier wichtige koordinative Reize fehlen (der Muskel kontrahiert auch ohne Steuerung über das Gehirn), ist auch keine Anpassungsreaktion nötig. Bei einseitiger Stimulation und ohne zusätzliche koordinative Reize wäre dann auch eine Verschlechterung denkbar.

Um nun eine Verbesserung oder zumindest keine Verschlechterung zu erzielen, muss die Elektrostimulation um eine koordinative Komponente erweitert werden. Dies wird möglich durch den Einsatz aktiver, statisch-dynamischer Bewegungsmuster, die während der Stimulationsphasen entweder gegen den vom Strom erzeugten Widerstand oder mit Unterstützung der elektrisch stimulierten Muskeln willkürlich durchgeführt werden. So konnten in ersten Versuchen bei Probanden zum Teil enorme Verbesserungen bei einfachen Koordinationsübungen festgestellt werden. Einschränkungen sind bisher auch bei Sportlern nicht aufgetreten.

Wichtig könnte hier der Transfer sein, also die Überführung der durch EMS möglichen Kraft- und Muskulaturzuwächse in die späteren Zielbewegungen. Da besonders die Core-Spannung beim Training sowohl willkürlich, als auch unwillkürlich intensiv trainiert wird, dürften hier sogar Verbesserungen möglich sein, gerade wenn EMS mit koordinativ anspruchsvollen Übungen kombiniert wird. Je funktioneller die während der Stimulation durchgeführten Bewegungsmuster ausfallen, desto eher dürften auch Verbesserungen im koordinativen Bereich möglich sein. So zeigten Untersuchungen an Sportlern besonders gute Verbesserungen der Rumpfkraft, auch bei dynamischen Schnellkrafttests; untrainierte Probanden berichteten von einer besseren Beweglichkeit, mehr Stabilität und höherer Koordination nach Ganzkörper-EMS-Training.

Wichtig bleibt jedoch immer der Bezug zum übrigen Training und den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Sportart. Werden diese Aspekte berücksichtigt, besteht nach aktuellen Erkenntnissen keine Gefahr für eine Beeinträchtigung der Koordination durch EMS.

Wie wirkt sich das Training auf die Laktatbildung aus?

Laktat als Salz der Milchsäure stellt ein Abbauprodukt des Stoffwechsels dar. Während der Laktatwert in Ruhe bei Werten unter 1,0 mmol/l liegt (je nach Stoffwechselsituation auch darüber), steigt der Laktatwert im Laufe einer Belastung an. Laktat wird hauptsächlich während der anaeroben Glykolyse gebildet. Steht bei höheren Intensitäten nicht ausreichend Sauerstoff in der Muskelzelle zur Verfügung, erfolgt die Energiebereitstellung zunehmend über Glukose (Zucker). Dabei fällt als Abbauprodukt zunehmend Laktat an, das wiederum als Brennstoff dient. Bis zu einer gewissen Intensität kann das angefallene Laktat noch „eliminiert“ werden, der Anstieg bleibt gering und auch bei längerer Belastung pendelt sich der Wert auf einem „Steady State“ ein. Wird diese Grenze jedoch überschritten, beginnt eine zunehmende „Übersäuerung“ in der Muskelzelle und eine rasch einsetzende Muskelermüdung (Meist bei einem Wert über 4mmol/l), man bezeichnet diesen Punkt auch als „anaerobe Schwelle“. Die Energiespeicher entleeren fast völlig, die Muskulatur kann nicht mehr richtig kontrahieren, es kommt zu einem Belastungsabbruch.

Bei Krafttraining steigt das Laktat im Muskel und im Blut kontinuierlich an dabei können nicht selten Werte von 20 mmol/l erreicht werden. Nach Untersuchungen an einer Gruppe von krafttrainierten Sportstudenten der Universität Bayreuth fällt die Laktatbildung bei Ganzkörper-Elektrostimulation deutlich geringer aus als bei konventionellem Krafttraining. Während bei Gewichttraining eine deutliche Anhäufung von Laktat über die anaerobe Schwelle hinaus bis zu Werten von über 13mmol/l festgestellt wurde, blieben die gemessenen Laktatwerte bei Ganzkörper-EMS konstant bei etwa 5mmol/l, also nahe der Schwelle, ohne sie zu überschreiten. Eine Übersäuerung wie bei konventionellem Krafttraining entsteht bei EMS nicht, die Belastung kann so besser aufrecht erhalten werden.

Zu beachten ist allerdings, dass die Laktatkonzentration auch von der gewählten Belastungsintensität abhängig ist. Für das EMS-Training bedeutet das: Je intensiver die Belastung ausgeführt wird und je länger die Impulsdauer gewählt wird bei gleichzeitiger Reduzierung der Pausen, desto höher ist auch die Stoffwechsel-Belastung bei Ganzkörper-EMS. Zwar ist auch hier die laktazide Belastung geringer als beim Krafttraining mit Gewichten, aber ein Steady State kann auch hier nicht mehr aufrecht erhalten werden. Insgesamt fällt die Laktatbelastung und damit auch die „Übersäuerung“ des Körpers bei Elektrostimulation geringer aus.

Ist mit EMS-Training Muskelaufbau (Hypertrophie) möglich?

Bei intensiven Kraftbelastungen kommt es zu Mikroläsionen in der Muskulatur, ähnlich kleiner Faseranrisse. Diese werden in der folgenden Regenerationsphase repariert und in ihrer Festigkeit auf einem höheren, belasungsangepassten Niveau verstärkt, um die beanspruchten Strukturen vor künftigen Schäden besser zu schützen. Ob eine Hypertrophie und eine Maximalkraftverbesserung ausgelöst werden, hängt u.a. auch von einem ausreichend hohen Grad an Mikroläsionen ab. Dies kann nur über eine ausreichend lange Reizeinwirkung bei mittlerer bis hoher Intensität geschehen.

Wie zahlreiche Studien belegen (u.a. Cometti 1988, Willoughby/Simpson 1996/1998, Felder 1995), wird eine Muskelmassenzunahme besonders effektiv über elektrische Stimulation erreicht. In einigen Untersuchungen und Studien an der Universität Bayreuth wurden u.a. auch Umfangsveränderungen untersucht. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass ein regelmäßig durchgeführtes Ganzkörpertraining mit Elektrostimulation in der Lage ist, innerhalb von 4-6 Wochen gute Hypertrophie-Effekte zu erreichen: 87% der Teilnehmer berichteten begeistert von deutlich sichtbaren Figurveränderungen; der Körper wurde erheblich positiver wahrgenommen, verglichen mit konventionellen Trainingsmethoden. Trainingswissenschaftler wie z.B. Weineck („Sportbiologie“, 2010) heben als großen Vorteil heraus, dass mit elektrischer Stimulation besonders hohe Muskelzuwächse erreicht werden können. Eine Hypertrophie durch EMS ist also auf jeden Fall möglich. Wie bei konventionellen Trainingsmethoden hängt die aber immer auch von Trainingserfahrung und Leistungsstand des Sportlers sowie den gewählten Belastungsparametern ab; die Ergebnisse können daher individuell höchst unterschiedlich ausfallen. Nicht zuletzt spielen auch genetische Faktoren, die Regeneration und die Ernährung eine entscheidende Rolle, ob und wie stark eine Hypertrophie der Muskulatur stattfinden kann.